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Original Artikel: Southern Resident Orcas stark bedroht

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Einen im „Guardian” erschienenen Artikel möchte ich zum Anlass nehmen, die Geschichte der Southern Residents nachzuvollziehen – sowohl an einem guten Beispiel in Menschenobhut als auch in der irreführenderweise als „Freiheit” bezeichneten und von Menschen immer stärker bedrohten Natur.

Winston

Wir schreiben das Jahr 1970. Ein junger Orca, der später den Namen Winston tragen wird, von der Wildbahn in eine betreute Meeresbucht gebracht und von dort aus ins Seattle Marine Aquarium.

Er war mit Mitglied der unter dem Namen Southern Resident Killer Whales (kurz: SRKW) zusammengefassten Population. Insgesamt wurden dutzende Orcas aus dieser Population an Aquarien verkauft – unter anderem gehört auch die bekannte Lolita, die heute im Miami Seaquarium lebt, zu den Orcas, die dort zu dieser Zeit gefangen wurden.

Der Windsor Safari Park in Großbritannien meldete sich für den Kauf des Tieres. Unter dem Namen Ramu kam er der Orca in die Ausstellung. Er blieb dort sechs Jahre lang. Aus knapp vier Metern Länge wurden schnell knapp sechs – der Orca wurde für den Park in der Nähe von London zu groß, und die Haltung war nicht mehr tolerierbar.

Also nahm sich SeaWorld des Tieres an und in einer DC8 kam er es nach San Diego. Dort wurde der Orca in Winston umbenannt. 1978 hatte er dann die 6-Meter-Marke geknackt und wog knapp 3,5 Tonnen.

Man muss wissen, dass sich SeaWorld einiger Tiere annahm, die aus der SRKW-Population gefangen wurden, um sie vor schlechter Haltung oder dem Tod zu bewahren. Wir befanden uns damals in einem Orca-Boom und jeder wollte die Tiere halten, unterschätzte aber die Haltungsanforderungen der Tiere. Einzig SeaWorld, so kristallisierte sich bald heraus, hatte diese Aufgabe nicht unterschätzt und musste später viele Tiere aus Einrichtungen übernehmen, die sich übernommen hatten.

Mit Orcas gab es damals ein ähnliches Phänomen wie leider jedes Jahr an Weihnachten: da kaufen auch viele Leute neue Haustiere zum Verschenken und später merken sie dann, dass deren Pflege doch nicht so einfach ist, wie sie sich das vorgestellt hatten, und geben die Tiere ins Tierheim.

SeaWorld wurde so zum „Tierheim” für Orcas und hatte die Tiere nicht nur unterzubringen, sondern auch mit den Problemen dieser Tiere zu kämpfen, die aus inadäquater Unterbringung und Fürsorge resultierten.

Winston war jahrelang in England schlecht trainiert worden und in einem nicht artgemäßen Becken gehalten worden. Erst mit der ‚head in mouth’-Methode (ja, das ist buchstäblich genau das, wonach es sich anhört) konnten dem Tier Vertrauenserfahrungen gegeben werden. Es ist erst den Experten in SeaWorld gelungen aus einem unsteten, frustrierten und deshalb teils aggressiven Tier, einen Orca zu machen, der artgemäße Haltung erfuhr und umgänglich wurde. Es war ähnlich wie bei einem Hund, der jahrelang schlechte Haltung und schlechtes Training erfuhr und dann endlich in Expertenhand ein gutes Leben geschenkt bekommt.

Heutzutage wird SeaWorld von Anti-Delfinarien-Aktivisten gerne vorgeworfen viele Tiere der SRKW in seiner Obhut gehabt zu haben und deshalb die schlechte Situation der Wildpopulation ausgelöst zu haben. Das ist aber genauso als würde man die deutschen Tierheime für die Problematik der Weihnachtsgeschenk-Haustiere verantwortlich machen: man verwechselt Ursache und Lösung.

In SeaWorld entwickelte sich Winston prächtig. Er wurde Teil des Pods und vermehrte sich erfolgreich. Seine erste Tochter Kalina (*1985) war auch zugleich die erste erfolgreiche Orca-Aufzucht in Menschenobhut. Ein Jahr später starb Winston an einem chronischen Herzfehler und konnte seinen Nachwuchs nicht aufwachsen sehen.

Kalina hatte dafür aber eine tolle Beziehung zu ihrer Mutter Katina, die noch heute in SeaWorld Orlando lebt und schon mehr als 40 Jahre alt ist. Sie brachte 1988 Katerina zur Welt. 1990 kam die von ihrer Mutter schon längst entwöhnte Kalina nach SeaWorld Auroa und danach nach San Antonio. Dort traf sie Kotar, den sie schon aus Orlando kannte.

Er war ein stattlicher Orcabulle und aus ihrem Zusammensein resultierte unter anderem Keto, der heute im Loro Parque lebt und seinerseits auch schon für Nachwuchs sorgte. Er stammt von den Southern Residents ab und ist nun Botschafter für seine Art und ihres Lebensraums.

Loro Parque begeistert die naturentfremdeten Menschenfür die Orcas und informiert sie in edukativen Angeboten über die Situation der Orcas auf der ganzen Welt. Geographisch naheliegend liegt der Hauptfokus der Loro Parque Stiftung aktuell besonders auf dem Schutz der gefährdeten Orcapopulation um Gibraltar.

Öl versus Orcas

Den Orcas der SRKW-Population, die in der Natur blieben, sowie ihren Nachkommen, erging es leider nicht gut. Während Keto heute von der hervorragenden Wasserqualität in OrcaOcean profitiert, sind seine Verwandten die durch die lokale Chemieindustrie weltweit am meisten mit Schadstoffen kontaminierten Meeressäuger, leiden unter menschengemachtem Lärm im Meer und durch Überfischung an einem Mangel an Nahrung.

Nun soll ihr Lebensraum durch eine Expansion der Öl-Pipeline um etwa 1.000 Kilometer von Alberte zur Küstenlinie von Vancouver noch mehr beeinträchtig werden.

Die Population der SRKW ist sowohl in den Vereinigten Staaten als auch in Canada als bedroht anerkannt, und man muss jetzt leider für diese Tiere schwarz sehen:

„Eine Genehmigung für das [Pipeline-]Projekt ist auch eine Genehmigung für das Aussterben der Population. Niemand bestreitet es. Niemand sagt, das ist nicht richtig. Es wurde akzeptiert.” – Ross Dixon (Raincoast Conservation Foundation) im Guardian
Orcas sind zwar global nicht bedroht, aber diese Population ist es sehr wohl. Deshalb ist die Behauptung von Tierrechtlern so gefährlich, wenn Sie sagen, es bräuchte keine Botschafter von Tieren in Menschenobhut.

Das Pikante daran: Viele Aktivisten, die gegen Delfinarien aufbegehren, kümmern sich nach eigenen Angaben genau um diese Population der Southern Residents. So zum Beispiel Ken Balcomb , der die Delfinariengegner-Industrie offenbar lieber fleißig unterstützte, als seine Hausaufgaben zu machen: er verbreitete anscheinend lieber Desinformationen, statt an der Bedrohungssituation etwas zu ändern.

Die Probleme der Population existieren schließlich nicht seit gestern. Balcomb hat aber aus rein ideologischen Gründen die Fäden zu dem wichtigen Forschungszweig und der Naturschutzsensibilisierung in Menschenobhut gekappt und SeaWorld die Schuld an den geschilderten Fangaktionen gegeben, obgleich gerade SeaWorld für die Langzeitfolgen damaliger Fehler aufkam und den Tieren und deren Nachkommen ein artgemäßes Leben bot. Hingegen blieb Balcombs Forschungsarbeit mehr als defizitär.

Im Mai 2015 gründete SeaWorld mit der The National Fish and Wildlife Foundation das Killer Whale Research and Conservation Program (KWRCP), das die Arbeit macht, die der Anti-Delfinarien-Aktivist Balcomb anscheinend offensichtlich in 40 Jahren mit seinem „Centre of Whale Research” nicht zu Stande brachte: Grundlagenarbeit wie Studien zur Nahrungsverfügbarkeit, Habitatqualität und Standartprotokolle für das Monitoring der Tiere.

So wurde etwa als erste Maßnahme eine Studie zur Schadstoffweitergabe in der Muttermilch realisiert – eine Forschung, die nur in menschenobhut überhaupt möglich ist. Leider werden Studien zur Reproduktionsbiologie von Orcas in SeaWorld in Zukunft nicht mehr möglich sein, da Balcomb und seine Aktivisten-Kollegen solchen irrationalen Druck ausübten, so dass SeaWorld in einer falschen, tierbedürfnisverachtenden und nicht artgemäßen Entscheidung, einen Zuchtstopp für Orcas implementierte.

So hat Balcomb es nicht nur versäumt, selbst wichtige Studien und Aktionen selbst durchzuführen, sondern seine Zeit und Arbeit darin investiert zu verhindern, dass es in Amerika auch jemand anderes kann. Feldforschung und Forschung in Menschenobhut gehören untrennbar zusammen, wenn man erfolgreich Artenschutzarbeit betreiben will.

Aktivisten empfanden Blacombs Weg als den richtigen und zukunftsweisenden. Das Versagen dieses Weges wird immer mehr offenkundig. Nach Vissers Versagen bei der tiergerechten Versorgung eines gestrandeten Orca- Kalbes ist es nun das zweite Mal in diesem Jahr, dass deutlich wird, dass die von Delfinariengegner als richtig propagierten Wege und die als wichtig propagierten angeblichen Experten, diese Lobhudeleien gar nicht einlösen und stattdessen scheitern, wenn es mal wirklich ernst wird. Es zeigt sich, dass ihre angeblich besseren Wege keine solchen sind.

Auch Joel Manby, der CEO von SeaWorld, wird dies einsehen müssen, wenn er SeaWorld in die Position bringen will, den Southern Residents im Sinne des Naturschutzes wirklich zu nützen. Solange aber die Aktivisten vor Ort lieber einen Streifzug gegen moderne Delfinarien führen, als sich um die realen Probleme der Orcas zu kümmern, wird die Population der SRKW vor die Hunde gehen oder tragischerweise zutreffender: im Öl versinken.

Zusammenarbeit ist der Schlüssel
Zitieren möchte ich an dieser Stelle die Worte von Mark Simmons:

“If there is any hope of sustaining a species and its habitat, implementing effective preservation, it will be born of the absolute union between zoological and wild animal sciences, not their division, and most certainly not from the exclusion of zoological experience.” | „Wenn es irgendeine Hoffnung darauf gibt eine Art und ihren Lebensraum zu erhalten bzw. effektiv zu bewahren, erwächst diese aus einer absoluten Einheit von Wissenschaft in Zoos und in der Natur, nicht aus ihrer Trennung und ganz sicher nicht aus dem Ausschluss der zoologischen Erfahrung.” – Mark Simmons in Killing Keiko The Book, S. 386
Dies gilt auch für die Population der Southern Residents, die zwar keine eigene Art darstellt, aber genetisch durchaus besonders und einzigartig ist, und natürlich auch deren Habitat. Menschen wie Balcomb, die diese Disziplinen spalten und mit dem modernen Zoo einen wichtigen Partner sogar gänzlich beseitigen wollen, sind eine Gefahr für das Überleben von Arten wie der Fall der Southern Residents zeigt.

Populismus und der Hass Einzelner hat Gruppen, die im Interesse des Gemeinwohls zusammenarbeiten sollten, schon immer gespalten und genau das hat „Blackfish” und die Anti-SeaWorld-Kampagne, an denen Balcomb mitgearbeitet hat, getan; es war eine Kampagne wie Trumps Wahlkampf – voll von Populismus und Hass gegen andere und postfaktisch geführt.

Ohne eine starke Zusammenarbeit zwischen wichtiger und fundierter Feldforschung und einer starken Forschung in artgemäßer Menschenobhut sind die Southern Residents wie auch andere gefährdete Tierpopulationen dem Untergang geweiht.

Durch die Abschaffung einer artgemäßen Haltung solch charismatischer Tiere in Menschenobhut in den USA durch Balcomb und Manby, wobei der CEO von SeaWorld der entscheidende und, biologisch ausgedrückt, der limitierende Faktor dieses Multifaktorensystems war, wurde auch die reelle Chance des Überlebens der SRKWs zerstört, denn der eine Forschungszweig kann ohne den anderen keine effektive Naturschutzarbeit leisten. Leider werden die Southern Residents wohl nicht die letzte Population sein, die darunter leiden wird.