Skip to main content

Quelle: https://www.tierwelt.ch/news/zoo/zoos-sind-von-menschen-fuer-menschen-da

Sponsored Content wissenschaftliche Zoos der Schweiz

Der Bundesrat hat bereits im März 2020 im Rahmen der Corona-Unterstützungsmassnahmen beschlossen, die Museen, darunter auch naturhistorische und zoologische Museen, aus einem speziell dafür geschaffenen Kulturfonds finanziell zu unterstützen. Dabei wurden Zoos und Tierparks ausdrücklich von der Hilfe ausgeschlossen. Dies mit der Begründung, dass es sich bei Zoos und Tierparks nur um Freizeiteinrichtungen handle. Seither kämpfen Zoos, Aquarien, Tier- und Wildparks um ihre Anerkennung in Bundesbern, um eine Akzeptanz für das, was Zoos für die Gesellschaft leisten, und damit nicht zuletzt um Finanzhilfen.

Kultur bezeichnet im weitesten Sinne alles, was der Mensch selbstgestaltend hervorbringt. Dies im Unterschied zu der von ihm nicht geschaffenen und nicht veränderten Natur. Etwas weiter gefasst bedeuten Kulturleistungen alle formenden Umgestaltungen eines bereits vorhandenen Materials, beispielsweise in der Technik, Architektur, Landwirtschaft (Ackerbau, Tierhaltung, Tierzucht), Essenszubereitung, bildende Kunst und geistige Formen wie Musik, Sprache, Moral, Religion, Recht, Wirtschaft und Wissenschaften. Interessant ist somit die Frage, in welchen kulturellen Bereichen Zoos Berührungspunkte haben. Hiermit wollen wir auf die Kulturleistungen in der Tierhaltung und Tierzucht, auf die Architektur, die menschenerschaffene Landschaftsgestaltung sowie die Moral eingehen.

«Museen sind Orte, wo man sich trifft», sagte kürzlich der Direktor des Kunsthauses Zürich, Christoph Becker, in einem Interview in der «Neuen Zürcher Zeitung». Eine einfache und klare Aussage: Das Kunsthaus ist für die Menschen da. Und im Zoo, trifft man sich da auch? Sind Zoos auch für Menschen da? Eine Abgrenzung zwischen gewissen Museen und den Zoos und Tierparks ist nicht selten recht fliessend. Einige historische Museen halten mehr oder weniger seltene Haustierrassen, andere zeigen lebende Fische, Amphibien und Wirbellose in Terrarien und Aquarien. Aber auch Zoos haben klassische museale Seiten: Ausstellungen über die Biodiversität, über den Regenwald und andere Ökosysteme, über bestimmte Tierarten und deren Verhaltensweisen, über aktuelle Fragen zum Klima und Umweltschutz sind in unseren Zoos häufig zu sehen. Daneben gibt es auch lokalspezifische Präsentationen wie das Bergsturzmuseum im Natur- und Tierpark Goldau oder die Ausstellung über die Geschichte der Forstwirtschaft im Wildnispark Zürich. In La Chaux-de-Fonds fasste die Regierung 2018 einen interessanten Entscheid: Der Zoo du Bois du Petit-Château und das Naturhistorische Museum wurden fusioniert und das Museum zieht auf das Gelände des Zoos. Die Eröffnung des neuen Museums ist auf 2021 geplant.

Die Welt hat sich geändert und mit ihr die Zoos

Die lange humane Geschichte der Tierhaltung, später auch in den Zoos, Tier- und Wildparks, ist Kulturgeschichte. Die Haltung und Zucht der Wildtiere bis zur Haustierwerdung, der Umgang mit Tieren im Positiven wie im Negativen, die Wertschätzung, aber auch die Geringschätzung der Tiere hat historischen, religiösen oder kulturellen Hintergrund. Der heutige Umgang mit den Tieren mag, vielleicht etwas überspitzt formuliert, aufzeigen, wie «reif», wie entwickelt und human eine Gesellschaft tatsächlich ist. In den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts zog man den Schimpansen im Zoo noch Röcklein an und sie mussten artig zusammen mit dem Tierpfleger an einem Tischchen sitzen. Inzwischen verlangt unser Tierschutzgesetz, dass die Würde des Tieres nicht verletzt werden darf. Eine solche Präsentation wäre heute rechtlich gesehen gar nicht mehr möglich, aber auch moralisch käme keinem Schweizer Zoodirektor oder keiner Zoodirektorin in den Sinn, so eine aus heutiger Sicht völlig deplatzierte Show zu präsentieren. Die Welt hat sich geändert und mit ihr die Zoos.

Tiere wurden seit jeher als Statussymbole genutzt, denken wir nur an die Heraldik (Wappenkunde) mit all den tierischen Symbolen vom Wildschwein (Porrentruy JU) bis zum Adler (Genève) und dem Löwen (Winterthur), um ein paar Beispiele zu nennen. Aber auch lebende Wildtiere als Symbole einer Region oder einer Stadt sind von emotionalem Wert. Was wäre der Kanton Graubünden ohne die freilebenden Steinböcke? Diese waren mal ausgerottet und sind heute dank der Zucht in Tierparks wieder dort.

Will man die Mentalität einer Stadt oder Region verstehen lernen, kann es nicht schaden, einen Zoo zu besuchen. Besuchen Sie einen Zoo in London, Ljubljana, Barcelona oder Zürich und Sie werden die feinen kulturellen Unterschiede sofort erkennen. Nicht nur in den Zoorestaurants, sondern auch in der Beschriftung der Gehege, in der Landschaftsarchitektur, der Sauberkeit, in der Präsentation der Tiere, im Auftritt des Personals.

Zooarchitektur als Teil der Kulturgeschichte

Zoos, Tier- und Wildparks sind gebaut für Menschen. Allerdings zu Beginn ihrer Geschichte in der Regel nicht für alle: Der heutzutage zum UNESCO-Weltkulturerbe gehörende Tiergarten Schönbrunn Wien wurde 1752 gegründet und diente dem österreichischen Königshaus als Erholungsraum und den angestellten Wissenschaftlern zur Forschung und Bildung. Die meisten Zoos jedoch basieren auf bürgerlichen Initiativen von Einzelpersonen, Familienunternehmen oder Vereinen.

Die erste verbriefte Bärenhaltung in der Stadt Bern datiert von 1441. Die Tiere wurden damals beim Käfigturm gezeigt, bis sie 1857 in den bekannten Bärengraben kamen. Die Bären haben heute eine neue, grosszügige Anlage gleich nebenan am Aareufer, eine kulturelle Errungenschaft, die auf Moral, Wissenschaft und Architektur beruht. Der alte Bärengraben gilt als Kulturgut von nationaler Bedeutung.

Der Wildnispark Zürich mit dem dazugehörigen Wildpark Langenberg ist mit über 150 Jahren der älteste Zoo der Schweiz. In den Jahren 1506, 1553 und 1557 wurde das heutige Gebiet des Langenbergs etappenweise durch die Stadt Zürich erworben und lieferte Brennholz für die Stadt Zürich. Schliesslich verwirklichte der Stadtforstmeister Carl Anton Ludwig von Orelli seine Idee, einen Wildpark zu errichten. Angesichts der überjagten Wälder wollte er der Stadtbevölkerung einen Ort der Erholung schenken, wo sie einheimischen Tieren begegnen konnten.

Das heutige Australienhaus im Zoo Zürich ist 1965 entstanden und wurde durch den damaligen Zoodirektor Prof. Dr. Heini Hediger anfänglich als sogenanntes «Afrikahaus» erbaut. Es erinnert stark an das Opernhaus von Sydney. Seine Eigenart sind Tier- und Besucherräume ohne rechtwinklige Ecken. Der Direktor vertrat die Ansicht, dass rechte Winkel dem Tierwohl abträglich sind. Alle Wände, Dächer und Einbauten mussten daher rundlich gebaut sein. Das Haus ist ein einzigartiger Zeuge der Zooarchitektur, aber auch der damaligen Entwicklung in Richtung einer artgemässen Wildtierhaltung. Das Gebäude befindet sich im Inventar der schützenswerten Bauten der Stadt Zürich. Übrigens: Auch das, was heute entsteht, seien es Tierhäuser, Gartengestaltungen und von Menschenhand erschaffene Landschaftsausschnitte, sind kulturelle Leistungen und ein Teil davon wird in einigen Jahrzehnten vielleicht als Kulturgut anerkannt und geschützt werden.

Eine historische oder neuzeitliche Gartenarchitektur mit strengen Formen, zurückgestutzten Buchsbäumen in Reih und Glied, mit Rosen bewachsenen Toren und Springbrunnen gelten als Gartenkultur. Eine Landschaftsarchitektur mit von Menschenhand erbauten, möglichst naturnahen Landschaftsbildern, mit künstlichen Felsen, mit der Natur nachempfundenen Bachläufen und mit der Innengestaltung von Tropenhallen sind hochgradig spezialisierte Leistungen von Landschaftsgestaltern. Wie bei der klassischen Gartenarchitektur handelt es sich auch hier um kulturelles Gut.

Der Zoologische Garten Basel gehört zu den älteren Zoos Europas, 1874 gegründet, und heute aus Basel nicht mehr wegzudenken. Der Zolli ist ein gesellschaftliches Phänomen, verwurzelt in allen Gesellschaftsschichten und auf politischer Ebene zeichnet sich die Abteilung Kultur des Präsidialdepartements Basel-Stadt für den Zoo zuständig.

Kein Mitarbeiter des Bundesamtes für Kultur (BAK) würde wohl behaupten wollen, dass die weltberühmten Dioramen mit der naturnahen Inszenierung der meist afrikanischen Lebensräume für die präparierten Tiere im Naturhistorischen Museum Bern keine kulturelle Leistung bedeuten, die es zu schützen gilt. Wären diese toten Tiere aber lebendig und würden sie in ebenso genial inszenierten Lebensräumen in einem Zoo leben, dann gilt diese Institution für einige Bundesbeamte und Bundespolitiker dagegen etwas abschätzig als Freizeitpark. Irgendwie wird man den Gedanken nicht los, dass in der Politik mit zwei unterschiedlichen Ellen gemessen wird.

Tierhaltung als Brauchtum und aus Tradition

Die Domestikation der Wildtiere, vom Wolf über die Bezoarziege bis zum Bankivahuhn, ist eine kulturelle Errungenschaft der Menschheit. Die Haltung und Pflege der Ehringer Kühe durch die Einheimischen im Wallis und die Nutzung der Tiere für Kuhkämpfe gilt als kulturelles «Brauchtum». Ebenso beteiligt sich der Natur- und Tierpark Goldau an der Zucht dieser wunderbaren Rinderrasse. Seltene Haustierrassen wie das Alpenschwein überleben bei engagierten Privaten, bei Vereinen und in Zoos und Tierparks. Auch hier gilt: Zoos leisten ihren Beitrag zum Erhalt eines Kulturguts. Was wäre für die Zürcher ihr Zoo ohne die Löwen, was für die Berner ihr Tierpark ohne die Bären, was für die Basler ihr Vivarium im Zolli ohne die Stirnlappenbasilisken? Was wäre Jerusalem ohne den biblischen Zoo, was Monaco ohne sein durch Fürst Albert I. gegründetes Aquarium, übrigens mit offiziellem Namen: Musée océanographique de Monaco. Alles Beispiele, wo die Gründe zur Wildtierhaltung aus symbolischen, lokalspezifischen oder religiös-kulturellen Wünschen erwachsen sind und somit aus dieser Sicht durchaus kulturelle Bedeutung haben.

Leisten Zoos einen Beitrag für die Gesellschaft?Der Natur nahe zu sein, bringt eine Reihe von Vorteilen mit sich, wie zum Beispiel eine verbesserte Immunabwehr. Direkte Kontakte mit Tieren haben erwiesenermassen einen positiven Einfluss auf die Gesundheit. Eine Möglichkeit, Tieren nahe zu sein, ist der Besuch von Zoos oder Wildparks. Hier können Gelegenheiten zum Mensch-Tier-Kontakt geschaffen werden, bei denen sichergestellt ist, dass das Wohlbefinden der Tiere keinen Schaden nimmt. Welche Auswirkungen hat ein Rundgang durch einen Zoo? Forscherinnen der Universität Gloucestershire haben herausgefunden, dass sich die Stimmung der Besucher nach dem Rundgang verbesserte und der Pegel des Stresshormons Kortisol sank im Verlauf des Spaziergangs. Die Stärke dieses Zusammenhangs variierte mit der Qualität der Mensch-Tier-Interaktion. Besonders deutlich war der Rückgang im Stresspegel bei Besuchern, die zuvor angegeben hatten, sich gerne in der Natur aufzuhalten und die den Schutz der Natur und der Tiere als wichtig beurteilen. Möglicherweise ergeht es einem Galeristen als Museumsbesucher im Kunsthaus ganz ähnlich.

Die Zoos haben und werden in Zukunft zunehmend eine wichtige Rolle bei der Erhaltung der Natur und der Artenvielfalt auf unserem Planeten spielen. Sie sind die meistbesuchten Institutionen der Welt und als solche ein grossartiges Instrument, um ein vielfältiges Publikum zu erreichen. Als drittgrösster Geldgeber für den weltweiten Naturschutz mit rund 320 Millionen Schweizer Franken pro Jahr, muss die Rolle der Zoos aufgrund des grossen Artensterbens zusätzlich noch zunehmen. Alle Zoos zusammen besitzen ein enormes Fachwissen, wie Wildtierarten gehalten und zur Vermehrung gebrachten werden. Diese Kenntnisse sind wichtig, um Tierarten, die am Rande des Aussterbens stehen, überhaupt retten zu können. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Existenz der Zoos nicht durch Anti-Zoo-Aktivistinnen und Philosophen behindert wird und dass die Öffentlichkeit und Politik die Arbeit der Zoos, insbesondere auch das Engagement im Bildungsbereich, endlich anerkennt und wertschätzt.